Irrtum 11: Jede Tai Chi Form ist gleich

(aus der Serie: Irrtümer über Tai Chi, erstmals erschienen auf mein.salzburg.com am 2. Apr 2010 um 11:03 in Fitness)

Zum besseren Verständnis:

Was ist mit einer „Form“ gemeint?
Zum einen der geläufige deutsche Begriff: die Art und Weise, die Anordnung, der Ausdruck, der Charakter und auch die „Bauweise“ von Tai Chi – Übungen als auch der Trainingsarten.

Zum anderen auch der Begriff, welcher in Tai Chi selbst verwendet wird – Definition „Form“:
(Alternative Bezeichnungen: die Form, Solo-Form)
Bezeichnet in Tai Chi Gung, Tai Chi Chuan (Taijiquan) einen festgelegten Übungsablauf, welcher bestimmte ebenfalls (meist) festgelegte Positionen, Figuren und Bewegungsfolgen beinhaltet, welche nacheinander, von einem bestimmten Beginn bis zu einen bestimmten Ende, aufeinander abfolgen.
Die „Form“ gilt üblicherweise als Einzeltraining (Solo-Übung).
Man kann „die Form“ durchaus mit der sogenannten „Kata“ beim Training von Karate, als auch mit einem „Kürprogramm“ beim Eiskunstlauf vergleichen.

Tai Chi ist nicht gleich Tai Chi!

Es gibt – entgegen der (bisher noch existierenden) öffentlichen Meinung – nicht nur eine einzige Form, sondern eine Vielzahl unterschiedlich gelehrter Formen, welche

  • abhängig von Stil (bekannt geworden: Yang-, Chen-, Sun-, Hao-, Lee-Stil usw., jeweils benannt nach den chinesischen Namen der Familie, welche diesen pflegen und verbreiten)
  • sowie auch der Schule (z.B. Wudang Tai Chi Kung Fu – benannt nach einer Schule/Akademie mit Sitz in den chinesischen Wudang-Bergen)
  • oder auch nach „offizieller“ Festlegung (z.B. der – damaligen – chinesischen Regierung: 1956 die Peking-Form, später 1976 auch noch eine „48 Formen-Taijiquan“. Anmerkung: allein schon die Bezeichnung sorgt für noch mehr Verwirrung, weil hier „Form“ ja eigentlich „Abläufe“ meint und das Ganze eine(!) „Form“ darstellt)
    trainiert werden.

Da die Lehrer bis dato meist von „der Form“ sprachen oder „wir trainieren die Form“ ausgesagt wurde, verbreitete sich bei uns im Westen die Ansicht, dass dieser Begriff einen einzig vorhandenen Übungsablauf beschreiben würde. Aber im Grunde nur daran lag (liegt), dass bei Kursen oder in Schulen gemäß Familientradition nur eine einzige gelehrt wurde (wird).
Anmerkung: Jene Trainingsansicht birgt natürlich nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile (u.a. einfacher zu lernen und noch weniger zu erklären).

Darüber hinaus gilt es ebenfalls zu unterscheiden, ob „die Form“ nur als rein körperlicher Bewegungsablauf verstanden wird (= die „leere“ Form) oder auch die „inneren“ Vorgänge erläutert, erklärt und im Trainingsablauf berücksichtigt werden (= die „volle“ Form).

Ein geeigneter Vergleich wäre:
Es gibt eben genausowenig „ein Auto“ – und wenn jemand von „Fahrzeugen“ spricht, ist es darüber hinaus auch notwendig abzuklären, ob derjenige überhaupt damit „ein Auto“ gemeint hat!

Fazit

  • für den Anfänger: Immer informieren, was und wie gelehrt wird und ob dies einem selbst entspricht!
  • für den Interessierten: Bitte „keine Äpfel mit Birnen vergleichen“, Danke!

Im Grunde ist es völlig irrelevant, welche „Form“, „Schule“ oder „Stil“ jemand für den Anfang wählt – Hauptsache ist: dass man beginnt! …und vielleicht dabei nicht vergisst, das jenes Erlernte, bzw. noch zu Erlernende, weder das Nonplusultra und schon gar nicht „Alles“ darstellt.

Wobei die (auch ursprünglichen) chinesischen Lehrmethoden, welche vor allem auf mimetisches Vermögen („Nachmachen“) eines Schülers ausgelegt sind und daher oft wenig bis gar keine Erklärung(en) liefern, nicht unbedingt dem westlichen Verständnis eines „Lernens“ zuträglich sind. Auch darauf sollte man achten – nicht jeder will sich gleich mit taoistischer Philosophie oder (Shaolin-)Buddhismus auseinandersetzen, nur weil er eine neue Bewegungs-Kunst erlernen möchte.

Der Tai Chi Gung – Landessportverein bietet hierzu ebenfalls mit seinem Trainingsverständnis und Lehrmethoden eine Alternative:
Ein Übungs-, Entwicklungs-, Betrachtungs- und Bewertungssystem, welches vom Gründer des Vereins im Laufe von nahezu 10 Jahren entwickelt wurde, um traditionelle chinesische Erkenntnisse der inneren Kampfkunst Tai Chi Chuan (bzw. Taijiquan) dem westlichen Menschen als sportliche Betätigung für nahezu jede Altersstufe zugänglich, sowie persönliche Fortschritte dokumentierbar und vergleichbar zu machen.

Mehr zum Tai Chi Gung – Landessportverein auch auf der Homepage: www.tai-chi-gung.at

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